Pauline in der
Provence
Die Reaktionen reichten von "Du bist ja
verrückt" oder "Sie nehmen doch bestimmt Ersatzteile
mit" bis "tolle Idee, beneidenswert!".
Die Rede ist von den Konsequenzen, die ich aus der Betrachtung einer
Postkarte zog. Auf der Vorderseite dieser Postkarte war eine knallrote
Ente mitten in einem Lavendelfeld der Provence abgebildet.
Auf der Motorhaube räkelte sich genüßlich eine
Blondine.
Nachdem sich die Aufmerksamkeit natürlich auf die Ente und die
tolle Landschaft richtete, wurde mit der besten Ehefrau von allen
schnell Einigkeit bezüglich unserer diesjährigen
Urlaubsreise erziehlt.
Da müssen wir hin, natürlich mit unserer feuerwehrroten
Ente Pauline! Ein Foto von Pauline in einem Lavendelfeld in der
Provence war das erstrebte Ziel, allerdings ohne Blondine Zugeständnisse
und Kompromisse muß man manchmal eingehen.
Den Vorschlag Ersatzteile
mitzunehmen verwarf ich. Ich erinnerte mich an die vielen Femreisen,
die Enten durchzustehen pflegen, kannte den guten Zustand unserer
bestens gepflegten und gewarteten Pauline und bin auch sonst bereit
kalkulierbare Risiken einzugehen.
Außerdem Frankreich- wenn es da keine Ersatzteile für eine
Ente gibt...!
Um es vorwegzunehmen: wir haben in unserer kargen Urlaubszeit von nur
zwei Wochen insgesamt 4970 km zurückgelegt, die Pauline mit fröhlichem
Schnattem und ohne mit der Wimper zu zucken mühelos und ohne
Panne bewältigte.
Völlig entspannt kamen wir am Abend des ersten Reisetages in
einem Vorort von Besancon an, um dort in einem Hotel die erste Nacht
auf französischem Boden zu verbringen. Bereits auf der Fahrt
dorthin hatten uns andere französische Autofahrer freundlich
zugewinkt und beim Überholen anspomende Gesten erkennen lassen,
aber der erste verbale Kontakt kam mit dem Hotelier zustande. Sein
Ausbruch der Freude über Pauline (la deuche, la deuche -... schööön!)
ließ unseren Besitzerstolz auf ein bisher unbekanntes Maß
anschwellen und Pauline vor Verlegenheit noch roter werden. Dieses erröten
wurde noch einige Male hervorgerufen und hielt sich noch lange nach
unserer Rückkehr- oder hatte sie einfach nur einen Sonnenbrand?
Pauline stand noch etwas verlegen zwischen den ganzen Luxuskarossen
vor dem Hotel und war Star des Abends. Ihr wurde die Ehre zuteil, die
einzige Garage des Hotels benutzen zu dürfen. Der Rest des Abends
wurde in geselliger Runde mit vortrefflichen Weinen aus der Region in
ausreichender Menge verbracht.
Auf der Rückreise kehrten wir wieder dort ein, wurden wiederum
enthusiastisch empfangen, diesmal wurde die Hausherrin dazugeholt, und
wir wurden mit unserer durch den vielen Wein "tiefergelegten"
Pauline vor den neidischen Blicken der anderen Gäste mit großem
Bahnhof verabschiedet.
Nach der ersten Nacht in Frankreich hieß unser Endziel Pont du
Crau, ein kleiner Ort in der Nähe von Arles. Dort hatten wir ein
Häuschen gemietet und wollten von dort viele Tagestouren in die
Haute Provence, Lubéron, an die Ardèche, in die Camargue
etc. unternehmen.
Wir haben es tatsächlich geschafft uns alles anzusehen, was wir
uns vorgenommen hatten. Getreu dem Motto"der Weg ist das Ziel"
hat es einen Riesenspaß gemacht mit Pauline durch wundervolle
Landschaften zu fahren, (manchmal waren die Bergstrecken ganz schön
steil!) nette Menschen kennenzulernen, das herrliche Essen und den
strahlend blauen Himmel zu genießen. Von Anstrengung und Streß
konnte keine Rede sein.
Am Mittelmeer haben wir den Strand l`Espiguette in unser Herz
geschlossen.
Pauline konnte hinter den Dünen parken. Auf der anderen Seite
der Dünen ergoß sich ein riesiger Strand mit feinstem Sand
und das weite Meer.- Hinein in die Fluten.
Wir besuchten den Pont du Gard, blickten in die Schluchten der Ardèche,
sahen Stiere, Pferde und Flamingos, Bieber, Enten, kosteten
vortrefflichen Wein im Lubéron, Käse, Tapenade, sahen
Marseille, besuchten den 2 CV und Mehari-Club in Cassis und und und...
(In diesem Zusammenhang stellt sich mir noch immer nachdrücklich
die Frage, warum die deutschen Bäcker kein vernünftiges
Baguette zustandebringen).
Natürlich haben wir das
Foto - Pauline im Lavendelfeld - geschossen. Das Foto entstand vor dem
Ort Sault, dort fand kurz zuvor das nationale Treffen der französischen
Clubs statt. (1998 war es in Paris, ihr erinnert Euch an die tolle
Feier !?) Diesmal waren wir in Sault leider knapp 2 Wochen zu spät.
Nachdrücklich wird uns aber die Freundlichkeit der Leute und die
leichte Kontaktaufnahme zu den Menschen dort in Erinnerung bleiben,
was ohne Zweifel durch Pauline gefördert worden ist. Es verging
kaum ein Tag, an dem wir nicht auf Pauline angesprochen worden sind.
Sei es der Motorradfahrer, der im Verkehrsgewühl von Marseille in
unsere Ente auf deutsch die Worte "ihr habt ja eine tolle Ente"
brüllte, und wild winkend, eine Rauchfahne produzierend im
Stadtgewühl entschwand oder der belgische Wohnmobilfahrer, der
von den Jugenderinnerungen mit seiner Ente schwärmte, oder der
alte Franzose, der sagte, "die ist ja toll erhalten, so eine
hatte ich auch mal- in bleue-" und dabei wild gestikulierend mit
dem Zeigefinger auf den blauen Teil des Euro-Kennzeichens tippte um
mir dann anschließend ein paarmal kräftig auf die Schulter
zu schlagen, was ich als Kompliment für meine Fortführung
und Bewahrung französischer 2CV-Tradition auffaßte.
In Apt entdeckte ich am Straßenrand eine alte Wellblechente und
daneben einen freien Parkplatz den ich unter Umgehung sämtlicher
Verkehrsregeln - böse Zungen behaupten, Verkehrsregeln und
Zeichen seien in Frankreich lediglich als unverbindliche Vorschläge
anzusehen - sofort mit Pauline besetzte, um Fotos von den beiden zu
machen. Mitten in die Fotosession platzte plötzlich ein kleiner
Lieferwagen aus dem ein junger Mann kletterte, der sich als Besitzer
der Ente zu erkennen gab. Wir kamen sofort ins Gespräch, durften
in der Ente probesitzen, und nach Austausch von gegenseitigem
Enten-Komplimenten waren wir uns einig, uns bei einem Treffen
wiederzusehen.
Tja, mit der Ente erlebt man so einiges und diese Erlebnisse werden
uns nachhaltig in Erinnerung bleiben. Wir hoffen sehr, weiterhin solch
schöne Erinnerungen sammeln zu können.
Das setzt voraus, daß wir für den Erhalt unserer Enten
etwas tun.- Aber wem sag' ich das, ihr wisst es doch längst!
Artenschutz ist angesagt, wie es auch die engagierten Mitglieder des
Elsässer 2CV-Clubs praktizieren. Deren Entenmuseeum in Framont
haben wir auf der Rückreise besucht. - Sehenswert!
Es grüßen herzlich
Christina, Thomas und Pauline H-CV 272 ( 2CV Spezial, Bj. 1978) |